Unerfüllter Stillwunsch bei Zwillingen: Ein Erfahrungsbericht

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Anette (*Name von Redaktion geändert) ist Mama von eineiigen Zwillingsmädchen und wünscht sich diese zu stillen. Hier spricht sie über ihren Weg, ihre Erlebnisse und Erkenntnisse, wenn das Stillen bzw. das Pumpstillen nicht klappen will und ein unerfüllter Stillwunsch bei Zwillingen bleibt.

Ein Start voller Vertrauen

Nach einem langen Kinderwunsch-Weg wurde ich mit meinen eineiigen Zwillingsmädchen schwanger. Sie kamen in der 37. Woche per Bauchgeburt auf die Welt. Obwohl es bei mir durch eine Brustverkleinerung unklar war, ob es möglich ist, wollte ich sehr gerne stillen. Eine Prognose dazu gab es nicht – es hieß immer es kann sein, dass es klappt, es kann auch sein, dass es nicht klappt. Trotz meines Wunsches war ich relativ gelassen und dachte mir, es kommt, wie es kommt. Leider war ich auch ein Stück weit naiv und dachte mir, wenn es klappen sollte, wäre es ein Selbstläufer. Ich entschied mich für ein babyfreundliches Krankenhaus für die Geburt und vertraute darauf, dass es schon irgendwie klappen wird, wenn es so sein soll. In Gesprächen mit meiner Hebamme wurde ich vorgewarnt – wenn es nicht möglich sein sollte, regelmäßig anzulegen, müsste ich regelmäßig pumpen.

Ein Start mit Hindernissen

In den letzten Wochen der Schwangerschaft ging es mir körperlich sehr schlecht. Nach der Geburt hatte ich neben der Erholung von Schwangerschaft und der Geburt selbst noch mit sehr hohem Blutdruck und dem Gefühl, völlig neben mir zu stehen, zu kämpfen. Anlegen gestaltete sich trotz Begleitung einer Stillberaterin schwierig. Da die Mädchen unbedingt zunehmen mussten, sollten wir zunächst mit Pre füttern. Deshalb wurde mir im Krankenhaus gezeigt, wie ich pumpen kann. In meinem Zustand und in der Situation leider unmöglich, dies tatsächlich alle drei Stunden zu schaffen. Nach zehn Tagen im Krankenhaus ging es zuhause weiter. Irgendwie versuchte ich mir Zeit zu verschaffen für die elektrische Milchpumpe. Nach einigen Tagen kamen endlich ein paar Tropfen Milch, ich war sehr zuversichtlich und motiviert. Bis am nächsten Tag keine Milchtropfen mehr kamen, sondern nur noch Blut. Dies ging dann so weiter. Zwischendurch versuchte ich meine Babys mit der Unterstützung meiner Hebamme anzulegen (später auch mit dem Brusternährungsset), leider erfolglos. Ich trank Stilltee mit Bockshornklee, Malzbier – nichts änderte sich.

Stillen ist…

Und plötzlich sprang es mir überall entgegen. Bei Instagram „Stillen ist Liebe“. Beim Onlinekauf von Pre-Nahrung „Stillen ist die beste Ernährung für Ihr Kind.“. Bei Gesprächen „Und wie klappt es mit dem stillen?“. Jedes Mal ein tiefer Stich. „Fläschchen geben ist auch Liebe“ liest man häufig. Meist geht es darum, dass die Entscheidung für die Flasche auch legitim ist. Das möchte ich nicht abstreiten, aber meiner Meinung nach wird der „unerfüllte Stillwunsch“ unterschätzt und zu wenig thematisiert. Und wenn er thematisiert wird, geht es häufig um Startschwierigkeiten und wie es dann doch noch geklappt hat (ähnlich wie die Berichte über Kinderwunsch-Behandlungen). Manchmal klappt es aber einfach nicht. Und dann ist da eine große Leere.

Über Schuldgefühle

Vorher hätte ich mir das nicht vorstellen können, aber plötzlich entwickelte ich Schuldgefühle. Meinen Babys nicht die beste Ernährung geben zu können. Sie mit „Kunstmilch“, so wie es in einem Buch stand, abspeisen zu müssen. Ihnen nicht diese natürliche, innige Erfahrung bieten zu können. Nicht genug Zeit zu haben. Weder fürs pumpen noch für meine Babys, denn durch das pumpen, auskochen der Materialien und der ständigen Beschäftigung mit dem Thema ging so viel Zeit und Energie verloren. Zeit und Energie, die mir als frischgebackene Zwillingsmutter anderweitig fehlte.

Eine gute Mutter…

Es war ein Prozess. Irgendwann verstand ich, dass ich mein mir Möglichstes versucht habe. Und entschied mich dazu, die elektrische Milchpumpe nach Ablauf der vierwöchige Mietzeit abzugeben. Und plötzlich war da Erleichterung und das Gefühl: ich bin nicht nur trotz Flaschen-Gabe eine gute Mutter, sondern vor allem auch, weil ich gekämpft habe. Für meine Babys. Vielleicht war das mein erster wichtiger Lernschritt als Zwillingsmama – so sehr man sich bemüht, manchmal kann man nicht so wie man möchte. Und ich möchte meinen Kindern auch vermitteln: Wenn ihr etwas unbedingt möchtet, kämpft darum. Aber wenn ihr nicht sicher seid, ob ihr das Ziel erreichen könnt und euch der Weg zu viel Energie kostet, dürft ihr auch andere Wege gehen. Und trotzdem stolz auf euch sein, dass ihr es versucht habt. Und so ist es am Ende: Ich wollte stillen. Ich habe dafür alles gegeben, was mir in der Situation möglich war. Ich füttere meine Töchter mit Pre-Nahrung. Und ich bin eine liebende Mutter, die das beste für ihre Kinder möchte. Ich bin eine Mutter, die die Flasche beim füttern so festhält, dass sie noch einen Finger frei hat, um ihren Töchtern über die Wange oder die Hand zu streicheln.

Stillen ist stillen. Flasche geben ist Flasche geben. Liebe ist vielfältig.

Liebe Anette (*Name von Redaktion auf Wunsch geändert), danke dass Du Deine Geschichte des unerfüllten Stillwunsches mit uns und den LeserInnen teilst und Worte dafür findest, wenn Wünsche nicht wahr werden. Liebe ist vielfältig, genau so ist es!

In unseren Erfahrungsberichten erzählen Zwillingseltern über ihre intimsten Erfahrungen und Erlebnisse. Wir sind sehr dankbar, für das uns entgegengebrachte Vertrauen, diese Erfahrungen und Erlebnisse anonym oder namentlich veröffentlichen zu dürfen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit ein vielfälltiges Bild an Empfindungen, Entscheidungen, Lebenswegen und Erfahrungen zu zeigen und einen respektvollen, wertschätzenden und bestärkenden Austausch zu ermöglichen. Wir sind selten ganz allein mit unseren Erlebnissen und Empfindungen. Wenn diese Erfahrungsberichte es schaffen, Menschen zusammen und in Kommunikation zu bringen, ist ganz viel gewonnen.

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