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*Triggerwarnung

Dieser Beitrag „Zwillingsfrühchen: Mein Wochenbett begann nach neun Wochen“, behandelt ein sensibles, gesundheitliches Thema bei Zwillingsschwangerschaften. Wir möchten diesen Erfahrungsbericht mit Dir teilen, um die Vielfallt der Zwillingsschwangerschaften aufzuzeigen und betroffene Personen zu ermutigen. Dein Wohlergehen liegt uns am Herzen. Bitte prüfe und entscheide für Dich selbst, ob Du Dich mit diesem Thema auseinandersetzen möchtest, bevor Du weiterliest.

Das Wochenbett ist eine ungemein wichtige Zeit. Zeit um als Familie anzukommen, Zeit um sich von der Zwillingsschwangerschaft zu regenerieren, Zeit um die Zwillingsbabys kennenzulernen, Zeit für die Heilung möglicher Geburtsverletzungen, die Rückbildung, den Aufbau der Stillbeziehung u.v.m. Doch ich als Zwillingsmama von Frühchenzwillingen, kenne diese Zeit nicht. Diese sechs bis acht Wochen, die so wichtig sind auf vielen Ebenen, sind in einigen Bereichen, an mir vorbeigegangen. Mein Wochenbett begann nach neun Wochen.

Doch fangen wir von vorne an.

Meine Zwillinge wurden in der Schwangerschaftswoche 28.0 via Kaiserschnitt geboren. Wir durften diese kleinen Menschlein auf dieser Welt und in unserer Familie begrüßen. Da sie mit ihren knapp 1 kg, als extrem kleine Frühchen das Licht der Welt erblickten, mussten sie auf der Neonatologie versorgt werden. Während ich im OP lag, wurden meine Babys von den Ärzten und Schwestern versorgt, bekamen eine Atemhilfe und wurden auf die Kinderintensivstation verlegt. Nach mehreren Stunden wurde ich von meinem Mann im Rollstuhl auf die Station geschoben und konnte meine Babys das erste Mal sehen, anfassen und willkommen heißen.

Meine Babys, so klein, so zart, überall verkabelt und doch endlich da. Unser Start in das Familienleben begann. Und das so vollkommen anders als jede Wochenbetttheorie, jedes Bild in meinem Kopf.

Bonden?

Wochenbett – Mein Bild im Kopf: Eine Mama mit ihren Zwillingen zu Hause im Bett liegend. Gemeinsam ankommen, kuscheln, beobachten, sich kennenlernen.

Das tatsächliche Bild: Ich lag fünf Tage zur Versorgung nach der Operation auf der Wochenbettstation. Meine Kinder wurden auf der Neonatologie versorgt, getrennt von mir. Alle paar Stunden wurde ich im Rollstuhl zu ihnen geschoben, durfte sie durch den Eingriff im Brutkasten streicheln, mit ihnen sprechen. Kein kuscheln, kein Haut-zu Hautkontakt. Nur kurze Phasen des Beisammenseins. Drei Tage dauerte es, bis ich das erste Mal mit Zwillingsherzdame 1 auf einer Liege, Haut an Haut kuscheln durfte. Neun Tage bis Zwillingsherzdame 2 stabil genug für die Mamakuschelzeit war. Nach 14 langen Tagen, das erste Kuscheln mit meinen beiden Babys. Beide nahmen noch nicht einmal vollständig meinen Oberkörper ein. So klein, so zart und doch für mich ein unglaublich emotionaler Moment. Endlich spüren. Sich gegenseitig wärmen. Ankommen.

Stillen?

Wochenbett – Mein Bild im Kopf: Eine Mama, die ihre Zwillinge stillt

Das tatsächliche Bild: Bereits am Tag der Geburt, wurde mir eine elektrische Milchpumpe zur Verfügung gestellt. Alle drei Stunden pumpen und hoffen, dass die Milch fließt. Kohlwickel, wärmende Kompressen, Akupunktur, pumpen, pumpen, pumpen. Die Zwillinge wurden mittels einer Sonde ernährt, später mit der Flasche, bis zu den ersten vorsichtigen Stillversuchen. Dieser Moment, deine Babys das erste Mal an die Brust anzulegen. Unsicherheit, Staunen, Beobachten, Unglaube und doch einzigartig, unbeschreiblich. Aufgrund der Saugschwäche blieben wir während des Aufenthalts im Krankenhaus bei dem Mix aus Stillen und Flasche. Vollstillen funktionierte erst viel später im gemütlichen Zuhause.

Versorgen?

Wochenbett – Mein Bild im Kopf: Eine Mama mit Zwillingen, die sie versorgen kann.

Das tatsächliche Bild: Nach Wochen des Liegens im Krankenhaus und nach einem Kaiserschnitt, war ich nicht in der Lage zu laufen. Die ersten Tage, wurde ich im Rollstuhl zu meinen Kindern gefahren. Wenn ich nicht bei ihnen sein konnte, kam ein Pfleger und machte mit mir Krankengymnastik, um meine Muskeln zu reaktivieren. Aufsetzen war nur mit Anstrengungen alleine möglich, Laufen nur wenige Schritte. Ich saß im Rollstuhl vor meinen Kindern, streichelte sie und sprach mit ihnen. Mehr war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Es dauerte Wochen bis ich in der Lage war sie im Brutkasten zu wickeln, zu waschen, anzukleiden, zu füttern.

Familienalltag?

Das Bild im Kopf: Eine Mama mit ihren Zwillingen zu Hause angekommen im Familienalltag

Das tatsächliche Bild: Sieben Tage nach der Geburt wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Meine Kinder verblieben auf der Neonatologie. Zu klein, zu instabil für das gemeinsame Ankommen zu Hause. Zwei Monate lang werden mein Mann und ich nun zweimal am Tag ins Krankenhaus fahren. Mehr als 130 Mal fuhren wir jeden Vor- und Nachmittag zu unseren Kindern. Brachten abgepumpte Milch vorbei, kuschelten mit Ihnen Haut zu Haut, badeten sie, wickelteten sie, fütterten oder stillten. Viel zu wenige Momente des Beisammenseins. Sich vollständig fühlen. Zuhause das schlechte Gewissen nicht bei den Kindern sein zu können kombiniert mit Vorbereitungen des Kinderzimmers, dem Abpumpen, der körperlichen Regeneration, bis zum nächsten Krankenhausbesuch.

Wochenbett 2.0

Und dann kam der Tag der Entlassung. Mit beiden Babys verließen wir das Krankenhaus und kamen endlich als Familie nach Hause. Der Beginn unseres Wochenbettes. Endlich konnten wir kuscheln, gemeinsam ankommen, stillen, versorgen, uns 24 Stunden lang beobachten, kennenlernen und  regenerieren. Mein Wochenbett begann nach neun Wochen. Und endlich trafen Vorstellung und Realität aufeinander.

Liebe (werdende) Zwillingseltern,

Zwillingsfrühchen zu haben ist eine ganz besondere Erfahrung. Vieles ist nicht so wie wir es uns vorgestellt haben. Viele Ängste, Unsicherheiten und Sorgen begleiten uns. Wir müssen uns besonderen Herausforderungen stellen. Der Start in das Leben verlief nicht wie gedacht und doch möchte ich mit meiner Geschichte ermutigen.

Auch wenn mein Wochenbett später als gewöhnlich begann, durfte ich dies verzögert genießen. Meine Babys und ich haben eine wundervolle Beziehung aufbauen können. Wir haben so vieles nachgeholt, was wir in den ersten Tagen und Wochen nicht wahrnehmen konnten. Die Babys haben sich zu großen, gesunden Kindern entwickelt, mein Körper hat sich vollständig regeneriert, wir leben ein buntes, trubeliges und eng verbundenes Familienleben.

Ein besonderer Start, bedeutet nicht das Ende, sondern einen Anfang! Es ist nicht leicht, es ist emotional, es ist herausfordernd, es ist beängstigend, es ist eine besondere Zeit. Diese wird immer in uns verankert sein. Das Leben hält Überraschungen bereit. Und wir werden daran wachsen. Alles Liebe für Dich!

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