Seit ich Zwillingsmama und Elternberaterin bin, begleitet mich das Thema Zwillingsernährung. Doch immer wieder stelle ich fest, dass es dabei nicht ausschließlich darum geht, welche Möglichkeiten es gibt seine Zwillinge zu ernähren und wie man diese am besten umsetzen kann. Neben der Form der Ernährung, also dem Stillen, Pumpstillen, Füttern, Teil- oder Vollstillen, geht es viel um Emotionen, um Idealbilder, um gefühlten Druck. Angestoßen durch Kommentare von Zwillingseltern auf unserem Instagramkanal, ist es mir ein Bedürfnis, diese Themen in diesem Rahmen aufzugreifen.

Vielleicht beginne ich mit einer ganz persönlichen Erfahrung: Als meine Zwillingsherzdamen drei Jahre alt waren, entschied ich mich zur Weiterbildung als Stillberaterin. Gemeinsam mit mehreren mir unbekannten Müttern, traf ich mich am Ausbildungsort und wir stellten uns mit unserer jeweiligen Stillgeschichte vor. Jede der Mütter hatte gestillt, meist vollgestillt, meist mehr als 12 Monate oder weit darüber hinaus.

Dann war ich an der Reihe. Ich war die Einzige, die ihre Kinder weniger als ein Jahr gestillt hatte. Die Einzige die zugefüttert hatte. Die Einzige, die pumpgestillt hatte und nach sechs Monaten entschied, dass meine Kapazitäten am Ende waren und ich nicht mehr stillen / pumpstillen wollte. Ich sah, das kleine Stirnrunzeln mancher Teilnehmerinnen. Das Unverständnis. Und ja, ich empfand eine Form der Unzulänglichkeit. Ich war in diesem Rahmen die Ausnahme von der Regel. Ein Gefühl, dass man erst einmal für sich verarbeiten muss. Vielleicht kann die eine oder andere Leserin hier, dies nachempfinden.

Nach meinem kurzen Abriss bat die Ausbilderin mich mehr über die Hintergründe zu erzählen. Und ich erzählte: dass meine Zwillinge als Frühchen in SSW. 28.0 geboren wurden. Sie sondiert wurden und ich nach der Bauchgeburt Muttermilch abpumpte. Dass wir auf der Neonatologie Stillversuche machten, und ich feststellte, dass ich mich auf zwei Babys nicht gleichzeitig konzentrieren konnte und daher öfter nacheinander und nicht gleichzeitig anlegte. Dass ich schnell mit Säuglingsnahrung zufüttern musste, da meine Muttermilch für zwei Babys nicht ausreichte. Dass ich Zuhause dann je nach Bedarf mal beide gleichzeitig stillte, nacheinander oder einen Zwilling mit Muttermilch fütterte und den anderen mit Säuglingsnahrung. Nach sechs Monaten mit stillen, pumpstillen und füttern, bekam ich einen Milchstau und merkte, dass meine Kapazitäten am Ende waren. Ich entschied, das Stillen und Pumpstillen sein zu lassen und stattdessen mit Säuglingsnahrung und Beikost den Weg der Zwillingsernährung weiterzugehen. Und es war für mich in diesem Moment eine Befreiung.

Als ich geendet hatte, sah ich ein Stauen in den Gesichtern meiner zukünftigen Kolleginnen. Sie waren beeindruckt über den Weg den ich gegangen war. Wie ich alles versucht hatte, für alles offen war, um meinen Zwillingsherzdamen den Start ins Leben zu ebnen. Plötzlich verspürte ich keinerlei Unzulänglichkeit mehr, sondern Stolz. Stolz auf das, was ich geschafft hatte. Für mich war diese Erfahrung ungemein wichtig.

Zwillingsernährung ist vielfälltig

Zum Einen persönlich, denn plötzlich konnte ich unabhängig von vermeintlichen Idealen, aus dem Gefühl der Unzulänglichkeit, Stolz entwickeln. Meinen Frieden für meinen persönlichen Weg finden. Ich wurde mir das erste Mal bewusst, was ich eigentlich geleistet hatte. Denn niemand sollte unterschätzen, was Abpumpen und Füttern für Zeitfresser neben der Versorgung von zwei Babys sein können. Noch viel wichtiger jedoch ist und war für mich die Erfahrung auf professioneller Ebene. Alle Mütter haben eine individuelle Geschichte und gehen einen individuellen Weg. Dies kann bedeuten, dass sie

  • sich bewusst gegen das Stillen entscheiden.
  • nicht stillen können oder es einfach nicht klappen mag.
  • voll stillen.
  • zum Teil stillen und zum Teil zufüttern.
  • mit Säuglingsnahrung füttern.
  • mit abgepumpter Muttermilch füttern.
  • Stillhilfsmittel wie Brusternährungssets, Fingerfeeder oder Becher nutzen.
  • Gleichzeitig stillen / füttern.
  • Nacheinander stillen / füttern.
  • sie einen Zwilling stillen, den anderen nicht.
  • die Brüste wechseln oder nicht.
  • nur mit einer Brust stillen (können).
  • dass sie wenige Tage stillen
  • oder mehrere Jahre.
  • Kombinationen aus den genannten Varianten wählen.

Und wenn ich etwas gelernt habe, dann ist es, dass JEDE Mutter, Respekt und Wertschätzung für ihren Weg, ihre Entscheidungen verdient. Wir haben diese Entscheidungen nicht in Frage zu stellen. Schon gar nicht ungefragt. Wir wissen selten, welche Beweggründe hinter diesem Weg stecken. Wir kennen die Situation in der Familie nicht und nicht die Ausgangssituation nach der Geburt der Kinder.

KEINE Beratung ohne Auftrag…

…heißt es in Fachkreisen und dies ist ein Punkt, den wir alle meine ich wirklich verinnerlichen sollten. Und dies gilt aus meiner persönlichen Sicht nicht nur bei einer Stillberatung, sondern gerade auch für uns Mütter untereinander. Ich verstehe selbstverständlich, dass wir Gleichgesinnte suchen. Wir alle suchen manchmal Rat oder auch Bestätigung. Es ist wundervoll, wenn wir uns ein Netzwerk bauen können, wo wir Rat oder auch Bestätigung erhalten, wenn wir es denn explizit wünschen.

Aber: Wenn eine Mutter ein Bild teilt welches zeigt, dass sie meinen Weg nicht geht, dass sie die Dinge anders angeht, dann ist es nicht an uns dies zu bewerten (außer es handelt sich um übergriffige Inhalte, Kinderschutz etc. selbstverständlich). Mir persönlich hilft es mir vorzustellen, wie es mir in dieser Situation ergehen würde…und wenn ich dies reflektiere, dann fällt es mir umso leichter meine Meinung ungefragt nicht zu äußern.

Weniger Druck, weniger Ideal

Warum ich dies alles schreibe? Weil es zu folgenden Gedanken führt:

Wenn wir mit Respekt und Wertschätzung anderen Müttern begegnen, dann nimmt dies Druck von ihnen.

Wenn wir in der Öffentlichkeit, in Medien und Büchern, all diese vielen bunten Wege der Zwillingsernährung aufzeigen, dann nimmt dies Druck.

Wenn wir offen bleiben für andere Wege, für andere Entscheidungen, dann nimmt dies Druck.

Es gibt nicht die ideale Mutter.

Es gibt nicht den idealen Weg.

Wir alle versuchen das Beste was wir können. Wir müssen drei oder mehr Bedürfnisse auffangen und mit diesen umgehen lernen. Das ist nicht immer leicht. Zwillingsernährung ist ein Weg, den wir gemeinsam mit unseren Kindern gehen. So wie es eben für die jeweilige Familie, Situation und die Bedürfnisse richtig ist. Und auf diesen Weg, auf uns, sollten wir stolz sein und die Ideale, Ideale sein lassen. Nun bin ich natürlich gespannt, wie Du über meine Gedanken zum Thema Zwillingsernährung denkst? Was hat Dir geholfen Druck zu nehmen? Welche Erlebnisse waren erfreulich oder unerfreulich? Was hättest Du Dir für Euren Weg der Zwillingsernährung gewünscht? Schreibe gerne in den Kommentaren.

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