Zwillingstalk: Frühchenmamas – Mit Zwillingsfrühchen auf der Neonatologie

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Anne-Marie und ich, Inga, sind Mamas von Zwillingsfrühchen. Die Zwillinge von Anne-Marie sind eineiig und meine Zwillinge zweieiige Mädchen. Uns beide verbindet die Geschichte unserer Frühgeburt und dem Leben mit Zwillingsfrühchen. Wir beide haben einen besonderen Start ins Leben als Zwillingseltern erlebt.

Im Zwillingstalk Frühchenmamas 

teilen wir unsere Erlebnisse, Erfahrungen und Empfindungen. Ehrlich und offen möchten wir damit Einblicke gewähren und dem Thema Frühgeburt einen Raum geben.

Eine Frühgeburt ist ein sensibles und emotionales Thema. Es gibt viele Fachseiten, die sich damit beschäftigen. Wir möchten Dir hier jedoch Einblicke verschaffen und Hoffnung schenken. Vielleicht erhälst Du damit die Gelegenheit Dich mit bestimmten Aspekten im Vorhinein zu beschäftigen. Vielleicht befindest Du Dich in einer ähnlichen Situation wie Anne-Marie oder Inga befinden oder befunden haben. Vielleicht möchtest Du die Menschen und ihre Empfindungen hinter dem Thema Frühgeburt entdecken. Was auch immer Dein Beweggrund ist: Dein Wohlergehen liegt uns am Herzen. Bitte prüfe und entscheide für Dich selbst, ob Du Dich mit dem Thema Frühgeburt auseinandersetzen möchtest, bevor Du weiterliest.

Unseren ersten Erfahrungsbericht und Austausch über den Verlauf ihrer Zwillingsschwangerschaften und Frühgeburten, kannst Du in diesem Beitrag lesen: Zwillingstalk: Frühchenmamas – die Zwillingsschwangerschaft

Folgend erzählen Anne-Marie und Inga in „Zwillingsfrühchen auf der Neonatologie“ über die ersten Stunden, Tage und Wochen als Frühchenmamas.

Frühchenmamas – Die ersten Stunden nach der Geburt

Inga: „Liebe Anne-Marie, Du kannst Dir sicher vorstellen, dass die ersten Stunden nach dem Kaiserschnitt schwierig waren. Ich fühlte mich wie in einer Blase. Einerseits wusste ich, dass meine Zwillingsfrühchen auf der Welt waren, andererseits jedoch nicht wie es ihnen geht. Mein Mann war bei den Kindern, ich lag im Aufwachraum.

Nach, ich glaube ca. fünf Stunden, wurde ich auf die Wöchnerinnenstation verlegt, wo ich dann auch auf meinen Mann traf. Er war vollkommen übernächtigt und zeigte mir, wie Dein Freund Dir, die ersten Bilder meiner Kinder. Sie waren so zart, fast nicht zu sehen unter den ganzen Kabeln und der Flowbrille. Trotzdem wusste ich nun, dass es ihnen den Umständen entsprechend gut ging und sie nicht weit von mir versorgt wurden.

Die Schwester kam kurz danach mit einem Rollstuhl in mein Zimmer und versuchte gemeinsam mit meinem Mann mich vorsichtig in den Rollstuhl zu platzieren. Nach dem wochenlangen Liegen, war meine Muskelkraft vollkommen verschwunden und die frische OP tat das Übrige. Im Patientenkittel, noch ganz wuschig durch den Kaiserschnitt fuhr mein Mann mich mit dem Rollstuhl in die Neonatologie.

Dort lagen meine kleinen Babys jeweils in ihrem Brutkasten. Es piepte und tutete und blinkte bei den vielen Geräten und zwischen einer Handtuchrolle lagen meine Babys. Ich konnte nichts anderes tun als sie anzuschauen. Sofort durchströmte mich ein Glücksgefühl. Da waren sie! Meine Kinder. So gar nicht wie man sie sich im Allgemeinen vorstellt. So klein, so zart, so durchsichtig. Mit den Wonneproppenbabys, die mir als Bild im Kopf immer vorschwebten nicht zu vergleichen. Und doch waren es meine Babys und ich fühlte nichts als Dankbarkeit!

Liebe Anne-Marie, magst Du erzählen wie Du die ersten Tage nach dem ersten Schock erlebt hast?“

Anne-Marie: „Ich würde sagen, die ersten Tage nach der Geburt habe ich ausschließlich funktioniert. Ich kam glücklicherweise mit der OP an sich ganz gut klar und konnte so schon zügig alleine eine Etage höher zu meinen Mädels. Auf der Neo war ich jedoch wie ferngesteuert. Ich konnte es im Sinne des Wortes gar nicht fassen. Ich fühlte mich sehr unsicher, traute mich gar nichts allein. Ein bisschen wie Falschgeld würde meine Oma sagen.

Zwei Tage später durften wir das erste Mal mit den Mädchen kuscheln. Ich denke, diesen Moment werde ich nie in meinem Leben vergessen. Mir liefen einfach nur die Tränen. Ich hätte sie am liebsten gar nicht mehr hergegeben. Ich blieb die fünf Tage im Krankenhaus und wurde dann entlassen, da es zu der Zeit leider keine verfügbaren Plätze im Gästehaus vor Ort gegeben hatte.

Erst als ich das Krankenhaus tatsächlich verlassen hatte, logischerweise ohne die Kinder, kam zu Hause der Realitätsschock. Es war unfassbar hart die Kinder nicht bei sich haben zu können.

Ich pendelte jeden Tag ein Mal vormittags allein und dann nachmittags mit meinem Freund ins Krankenhaus. Wir saßen stundenlang vor den Inkubatoren, kuschelten und übernahmen Stück für Stück die Versorgung. Das Gefühl, nicht genug zu tun, war dennoch mein steter Begleiter. Abends war mein Herz immer gebrochen. Meine kleinen, winzigen Babys waren dort nachts allein. Ohne ihre Mama. Würden sie überhaupt wissen, dass ich ihre Mama bin? Ich versuchte mir aber zu sagen, dass auch ich – nach einer großen Bauchoperation – zumindest etwas Ruhe und Schlaf gut gebrauchen könnte.

Je mehr Sicherheit ich gewann mit den Versorgungsrunden, desto besser ging es mir auch. Außerdem machten unsere Mädchen sehr gute Fortschritte, so dass es zumindest in dieser Hinsicht keine Sorgen gab. Eine deutliche Verbesserung der Situation gab es für mich als ich nach drei Wochen in das Gästehaus ziehen konnte.

Liebe Inga, wie hast du die ersten Tage wahrgenommen? Durftest du bei deinen Mädchen bleiben?

Frühchenmamas – Mit Zwillingsfrühchen auf der Neonatologie

Inga: „Nachdem ich die Mädels das erste Mal gesehen hatte, war ich voller Dankbarkeit und wusste, dass wir auch die nächsten Schritte gemeinsam schaffen würden. Ich lag auf der Wöchnerinnenstation, vollgepumpt mit Schmerzmitteln und machte die ersten Abpumpversuche während ich an meine Babys dachte.

Mir war unglaublich wichtig, meine Zwillingsfrühchen vor allem aufgrund dieses Starts ins Leben, mit Muttermilch versorgen zu können. Ich pumpte also etwa alle drei Stunden, aber keine Milch floss. Mein Mann kam in diesen Tagen zweimal am Tag ins Krankenhaus und wir gingen so lange eben möglich auf die Neonatologie und redeten mit unseren Kindern.

Am dritten Tag durfte ich das erste Mal mit Zwillingsherzdame 1 känguruhen. Ich war unglaublich aufgeregt! Ich legte mich auf einen Sitz neben dem Inkubator, entkleidete meinen Oberkörper und die Schwester reichte mir mein Baby mit all seinen Kabeln. Sie deckte uns mit einer warmen Decke zu und da lagen wir.

Erst da wurde mir richtig bewusst wie klein und zart dieses Menschlein war. Es hätte mehrfach auf meinen Oberkörper gepasst. Trotz all der Geräusche um uns herum, spürte ich nur unseren Kontakt, ihre Atmung, ihren kleinen Körper. Ich traute mich nicht mich zu bewegen, war wie eingefroren und spürte einfach nur. Die Krankenschwester kam und zeigt mir, dass mit dem Kuscheln auch die Sauerstoffsättigung und die Atmung sich stabilisierten und dass machte mir zusätzlich ein wunderbares Gefühl. Es war nicht viel was ich tun konnte, aber das Wissen, dass alleine meine Anwesenheit, meine Nähe mein Kind stabilisierten, beruhigte mich sehr.

Wie Du bestimmt nachvollziehen kannst, hätte ich dies so gerne auch meiner zweiten Tochter gegeben. Diese hatte jedoch etwas mehr Anfangsschwierigkeiten, so dass wir erst am neunten Tag miteinander kuscheln konnten.

Umso wichtiger war es mir die Milchbildung in Gang zu bekommen. Ich pumpte weiterhin ab, aber nichts kam. Daher zog ich eine Krankenschwester hinzu, die mir eine Akkupunktur anbot, die den Milchfluss anregen sollte. Wenige Stunden danach glühten meine Brüste, ich hatte das Gefühl ich platze.

Ich legte vor dem Abpumpen warme Mullwindeln auf die Brüste und das Gewebe zu entspannen und nach dem Pumpen kühlte ich mich Kohlwickeln. Nach einigen weitern Malen, begann endlich die Milch zu fließen. Es war nicht viel, aber ich war unglaublich glücklich über jeden einzelnen Tropfen. Als die Kinder das erste Mal mittels der Magensonden und einer Spritze meine Muttermilch (Kolostrum) bekamen, hätte ich fast weinen können.

Auch ich wurde wie Du, am Tag fünf entlassen, ohne Kinder. Es war unglaublich schwer, aber nach den Wochen im Krankenhaus, brauchte ich ganz dringend meine gewohnte Umgebung, um Kraft zu tanken. Ich war immer noch nicht in der Lage länger als wenige Minuten zu laufen, hatte wochenlang Schonkost gegessen und musste mir durch Spaziergänge und abwechslungsreiches, leckeres Essen, erst einmal wieder Kraft holen. Ich pumpte Zuhause regelmäßig Milch ab, die wir dann gekühlt in das Krankenhaus mitnahmen.

Wie ihr, fuhren mein Mann und ich wochenlang jeden Tag zweimal ins Krankenhaus zu unseren Zwillingsfrühchen. Jeden Tag länger übernahmen wir unter Anleitung mehr Aufgaben bei den Kindern. Wir lernten sie im Inkubator zu waschen, zu wickeln, welche Kabel was messen, wie wir damit umzugehen hatten, welches Signal was bedeutet und wurden immer routinierter. Wir känguruhten mit den Babys, mal jeder mit einem oder eine(r) mit beiden. So viel uns diese Routine auch Mut gab, so sehr sehnten wir den Moment herbei, wo sie endlich nach Hause kommen konnten.

Wann war es bei Euch soweit und was habt Ihr bis dahin erlebt?“

Anne-Marie:Ich finde es sehr interessant wie sich die Wahrnehmung der ersten Tage beziehungsweise eigentlich überhaupt der Neo-Zeit bei uns überschneidet. Im Gästehaus kam ich ebenfalls in Kontakt mit anderen Mamas, die ihre Babys auf Station hatten und auch die haben viele Dinge ähnlich empfunden so wie wir beide sie nun austauschen. Spannend!

In unserem Krankenhaus gab es verschiedene Dinge, die erreicht werden mussten, damit ein Frühchen entlassen wird: mindestens 36+0, mindestens 2000g, eigenständig trinken und keine Bradykardien mehr.

Außerdem gingen alle Kinder in der Nacht vor der Entlassung noch mal ins Schlaflabor, wo besonders detailliert die Atmung überwacht wurde. Als unser Schlaflabortermin feststand, war ich total aufgeregt. Ich hatte bereits die Monitore für zu Hause abgeholt und wir trafen die letzten Vorbereitungen, um unsere Mädchen in Empfang zu nehmen. Nun ja, leider hatten die beiden diesen Termin „nicht bestanden“. Sie hatten zu viele Sättigungsabfälle. „Eine Woche Verlängerung“ bekam ich von der etwas barschen Oberärztin zu hören. Das war der absolute Tiefpunkt unserer Krankenhauszeit.

Dem Heimgehen so nah und doch so fern. Der folgende Termin war also in der nächsten Woche angesetzt. Genau an Papas Geburtstag. Dieses Mal war klar, dass wir die Beiden auf jeden Fall mitnehmen können, ich war also viel entspannter. Und so war es dann auch.

Nach den ganzen Formalitäten durften wir sie umziehen. Bis dahin hatten sie nur Krankenhauskleidung getragen. Einige meiner Lieblingsschwestern hatten Dienst und so flossen doch einige Tränen: Tränen der Erleichterung und der Überforderung. Waren wir doch bisher mit unseren Mädchen ausschließlich in diesem geschützten Krankenhauscosmos.

Wie Anne-Mari und ich, Inga, den Übergang vom Krankenhaus nach Hause mit ihren Zwillingsfrühchen erlebt haben, darüber tauschen sie sich im nächsten Teil des Zwillingstalks: Frühchenmamas aus.

Wir freuen uns sehr, wenn Du in den Kommentaren Deine Empfindungen und Erlebnisse mit uns teilen magst!

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