Der letzte Ferientag der Sommerferien 2021 ist angebrochen und diese sechs Wochen vergingen wie im Flug. Nach einer langen Phase des Homeschoolings & Wechselunterrichts, eine Pause, die alle ob Kinder, Eltern oder LehrerInnen dringend benötigten. Und während die Politik mit ihrem Aufholprogramm darüber nachdenkt, wie unsere Kinder Bildungsrückstände aufholen können, zeigten mir meine Zwillingsherzdamen in den Ferien was sie gerade wirklich brauchen.

Bewegung & Spiel

Der Sportunterricht war wohl das erste Fach, welches in der Phase des Wechselunterrichts und Homeschoolings vernachlässigt wurde. Vor Rechnern wurden Sportvideos geschaut, um die Kinder zu Bewegung zu animieren. Sportliche Freizeitangebote waren vollkommen gestrichen, kein Sport im Verein oder auf Bolzplatz, wen wundert es, dass meine Kinder nach Bewegung außerhalb von Fahrrad fahren oder laufen, lechzten. Das Berliner Programm der Sommerschwimmschule, kam hier wie gerufen. Eine Woche lang jeden Tag schwimmen und tauchen, ins Wasser springen und am Ende voller Stolz das Bronze-Abzeichen in den Händen halten. Jeden Tag gemeinsam mit anderen Kindern Sport machen, von jetzt auf gleich, waren meine Kinder glückselig.

Ferientage am See, wurden ausgiebig zum Schwimmen, Tauchen und Paddeln genutzt. Waren die Kinder in der verordneten Homeschoolingzeit vergleichsweise träge, waren sie kaum zu halten. Paddeln im Kajak, stundenlang. Im Wasser nach Fischen schnorcheln, Angeln am Steg mit anderen Kindern, nach Ringen und Steinen tauchen, alles was möglich war, wurde gemacht. Ohne Anleitung, ohne Ideengebung, einfach aus der Bewegungs- und Entdeckungslust heraus.

Kaum aus dem Wasser gekommen, wurde ihr Spielzeug des Sommers 21 bespielt. Das Diabolo. Stundenlang übten sie dieses in Schwingung zu bringen, zu werfen und zu fangen. Ein Anziehungsmagnet für andere Kinder und bald waren wir jeden Tag umringt von Kindern, die Diabolo spielen wollten. Sie brachten sich gegenseitig Tricks bei, lernten voneinander und studierten gemeinsam eine Diaboloshow ein.

Kein Ruf nach Fernsehen, Tablet oder Handy. Keine Langeweile. Stattdessen das Bedürfnis nach Bewegung & Spiel.

Unabhängigkeit & Eigenständigkeit

Ich liebe meine Kinder und ich liebe es Zeit mit ihnen zu verbringen. Die Kindheit verrennt so schnell und mir ist bewusst, dass diese intensive Zeit mit ihnen begrenzt ist. Die lange Phase des Homeschoolings hat viele von uns Eltern und die Kinder vor enorme Herausforderungen gestellt. Ständig wurde gefordert, kontrolliert, gelernt. Man hockte als Familie mit verschobenen Rollen aufeinander und wusste in machen Phasen nicht mehr, wo oben und unten ist. Keine Atempause für niemanden. Wenig Alternativen und Erholungspausen. Die Kraft und die Nerven schwanden tagtäglich auf allen Seiten. Familie ist wichtig, aber Zeit ohne diese eben auch.

In den Ferien fiel der Druck ab. In den Tag hinein leben, keine oder wenige Aufgaben erledigen. Wen wundert es, dass die Zwillinge sich beim Campen jeden Tag mehr unabhängig bewegten? Sie streiften über den Campinplatz, entdeckten Spielplätze, Geheimwege, fanden Freunde und streiften um den See. Sobald das Frühstück beendet war, sprangen sie auf und begaben sich auf Entdeckungstour. Teilweise stundenlang. Ohne ständige Anwesenheit der Eltern, ohne Aufsicht, einfach alleine unter und mit Kindern, die Welt entdecken. So wundervoll Familienleben ist, so wichtig auch in Streifzügen unbeaufsichtigt, das Umfeld zu erkunden, allein zu sein oder nur unter Kindern zu sein. Unabhängigkeit und Eigenständigkeit aufholen, der Drang war stark.

Soziale Kontakte

Kinder brauchen Kinder. Das ist keine neue Erkenntnis, doch dieses Jahr zeigte uns wie sehr die Kinder unter der Isolation litten und leiden. Neue Kinder kennenlernen, seine Rolle in der Gruppe finden, sich überwinden, streiten, versöhnen, gegenseitig messen und helfen, hier konnten sie all dies und mehr wieder aufleben lassen. Egal welches Alter oder Geschlecht, die Kinder suchten und fanden sich schnell, auch in wechselnden Formationen. Sie konnten nicht genug davon bekommen, Zeit mit ihren neuen oder auch bekannten Freunden zu verbringen. Wir Eltern waren der sichere Hafen, aber der Dreh- und Angelpunkt, waren die Freunde und Freundinnen. Und das war genau richtig so. Es war das, was meine Kinder in dem Sommer 2021 brauchten.

Was wir für das Aufholprogramm daraus lernen können

Nun sind die Ferien vorbei, die Schule beginnt wieder im vollen Umfang und das Aufholprogramm des Bundes startet. Es soll gebildet und gefördert, Lernstandskontrollen erhoben und aufgeholt werden. Bildung ist wichtig, Mathe- und Deutschkenntnisse grundlegend, Ja, das kann ich nachvollziehen. Doch vergessen werden sollte dabei nicht, was unsere Kinder für ihre körperliche und seelische Entwicklung  brauchen.

Sie brauchen Kinder, Gemeinschaft, gemeinsame Erlebnisse in Gruppen.

Sie benötigen Bewegung für ihre Gesundheit, ihre Koordination, ihre Motorik.

Sie brauchen freies Spiel, um ihrer Kreativität und Phantasie Raum zu geben.

Sie benötigen Freiraum, um sich selbst zu entdecken, kennen und einschätzen zu lernen.

All dies wird sie dabei unterstützen „aufzuholen“, auch im Bildungsbereich.

Es muss Teil einer gesellschaftlichen Aufgaben sein, Kindern diese Angebote zu machen. Hoffen, wir für unsere Kinder, dass das „Aufholprogramm“ diese für sie wichtigen Entwicklungsaspekte nicht aus dem Auge verliert und Kinder nicht weiterhin die Verlierer in einer besonderen Zeit sind.

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