Veronika bereitet sich bestmöglich auf die Geburt ihrer Zwillinge vor und wünscht sich eine spontane Geburt. In SSW 37.2 hat sie einen Blasensprung und fährt direkt in die Klinik. Was danach passiert, war fernab jeder ihrer Vorstellung. Traumatische Zwillingsgeburt: Veronika´s Geburtsbericht:

Triggerwarnung:

Dieser Beitrag behandelt ein sensibles, gesundheitliches Thema einer Zwillingsgeburt. Wir möchten diesen Erfahrungsbericht mit Dir teilen, um die Vielfallt der Zwillingsgeburten aufzuzeigen und betroffene Personen zu ermutigen über erlebte Erfahrungen zu sprechen.

Dein Wohlergehen liegt uns am Herzen. Bitte prüfe und entscheide für Dich selbst, ob Du Dich mit diesem Thema auseinandersetzen möchtest, bevor Du weiterliest.

Die Zwillingsschwangerschaft

Im November 2021 habe ich erfahren, dass mein Mann und ich Zwillinge erwarten. Von diesem Zeitpunkt an begann ich mich auf die Schwangerschaft, die Geburt und die Zeit danach vorzubereiten. Mir war bewusst, dass eine Zwillingsschwangerschaft gleichzeitig eine Risikoschwangerschaft bedeutet und ich wollte bestmöglich auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Während der Schwangerschaft las ich viele Ratgeber und Berichte und bereitete mich mit dem Geburtsvorbereitungskurs für Zwillinge von Jana und Inga auf die Geburt vor. Nach dem Kurs fühlte ich mich sicher und bestärkt in meiner Entscheidung, meine Zwillinge möglichst spontan gebären zu wollen. Ich meldete mich rechtzeitig in meiner Wunschklinik an und erledigte vorab alle Formalitäten.

Die Geburt kündigt sich an

Am 06. Juli diesen Jahres (37+2 SSW) bemerkte ich morgens nach dem Aufstehen, dass meine Unterhose nass war. Nach einem pH-Selbsttest war dann klar, dass es sich um Fruchtwasser handelte, welches allerdings nur tröpfchenweise austrat. Dennoch meldete ich mich telefonisch in der Klinik an und machte mich auf den Weg dorthin. Eine vaginale Untersuchung bestätigte dann meinen Verdacht. Ich wurde aufgrund der Zwillingsschwangerschaft direkt stationär aufgenommen, trotz fehlender Wehentätigkeit. Auch den Rest des Tages setzten die Wehen nicht ein, sodass ich abends (18 Stunden nach Blasensprung) ein Antibiotikum erhielt, welches ich von nun an bis zur Geburt verabreicht bekam, um die Infektionsgefahr bei vorzeitigem Blasensprung zu verringern.

Wehenfördernde Maßnahmen

Auch in der Nacht tat sich nichts, sodass ich nach einer erneuten vaginalen Untersuchung um 7 Uhr morgens einen Tampon eingeführt bekam, welcher Prostaglandine erhielt. Diese sollten erste Wehen auslösen.

Lange tat sich nichts, bis ich dann um 13 Uhr (07. Juli) schlagartig Wehen bekam. Zu Beginn versuchte ich noch, die Wehen zu veratmen, merkte jedoch schnell, dass dies nicht funktionierte. Es handelte sich um regelrechte Wehenstürme, welche keine Pause machten. Da der Kreissaal noch belegt war, verbrachte ich die ersten Wehenstunden in meinem Zimmer auf der Wöchnerinnenstation. Ich krallte mich an meinem Bett fest und versuchte einfach nur durchzuhalten. Meine Enttäuschung darüber, dass ich die Wehen nicht richtig veratmen konnte, war sehr groß.

Um 14 Uhr kam mein Mann zur regulären Besuchszeit hinzu. Er hatte zwei Erdbeerteilchen in der Hand und als er mich sah wurde ihm bewusst, dass es nun losging und wir nicht mehr dazu kommen würden etwas zu essen.

Wehenstürme

Gegen 17 Uhr bin ich dann ins Wehenzimmer in den Kreissaal verlegt worden. Von da an wurde ununterbrochen CTG geschrieben und regelmäßig überprüft, ob sich der Muttermund öffnet. Ich konnte die Wehenstürme nur im Liegen ertragen, sodass jegliche Geburtspositionen, welche ich mir vorab zurechtgelegt habe, nicht realisierbar waren.

Essen konnte ich nichts, an Schlaf war auch nicht zu denken. Durch die Schmerzen war ich wie benommen und habe kaum etwas um mich herum wahrgenommen. Ich habe Schmerzmittel über einen Tropf bekommen, welche jedoch kaum gewirkt haben.

Gegen Mitternacht konnte ich die Schmerzen dann nicht mehr ertragen. Ich weinte und schrie meinen Mann an, er solle mir helfen. Daraufhin holte er die Hebammen hinzu und bat diese, mir eine PDA zu legen.

Der Anästhesist wurde aus dem Schlaf geklingelt und ich wurde in den eigentlichen Kreissaal verlegt. Leider wurde die PDA falsch gelegt, sodass zwar mein rechtes Bein taub war, ich im linken Bein und im Unterleib jedoch noch alles spürte. Von dem Eingriff selbst weiß ich nicht mehr viel, da ich völlig weggetreten war vor Schmerzen. Umso besser war es, dass mein Mann nicht von meiner Seite wich und wichtige Entscheidungen für mich traf.

Vor der Geburt bin ich mit ihm meinen Geburtsplan durchgegangen, demnach wusste er genau, was ich mir unter der Geburt wünschte und welche Möglichkeiten nicht für mich in Frage kamen.

Die Geburt schreitet voran

Meine Müdigkeit war unendlich, sodass ich tatsächlich von 2 Uhr bis 5 Uhr geschlafen habe und mein Mann sich auch wenige Stunden ausruhen konnte. Um 6 Uhr wurde der Muttermund erneut ertastet, welcher nun schon 7 Zentimeter geöffnet war. Zu diesem Zeitpunkt lag ich bereits seit 17 Stunden in den Wehen, jedoch motivierte mich diese Nachricht ungemein und ich war mir sicher, dass ich das Schlimmste hinter mir haben würde.

Gegen 08:30 Uhr war der Muttermund dann vollständig geöffnet und es ging in die Austreibungsphase. Vorab wurde mir noch ein Katheter gelegt, da für diese Phase unbedingt die Blase geleert sein musste. Schmerztrunken war es mir jedoch nicht möglich, Wasser zu lassen, sodass es nur diesen Weg gab. Dies war unglaublich schmerzhaft für mich, da ich zum Einen alles spürte und zum Anderen in meiner Kindheit mit vielen Harnwegsinfektionen zu kämpfen gehabt hatte, sodass meine Blase sehr empfindlich und gereizt war.

Die Zwillingsgeburt

Nichtsdestotrotz war ich weiterhin sehr motiviert und froh, dass ich nun aktiv mitarbeiten konnte. Nach 20 Minuten Presswehen kam dann plötzlich die Ärztin hinzu, welche entschied, beim ersten Zwilling mit der Saugglocke nachzuhelfen. Bevor ich überhaupt etwas dazu sagen konnte, wurde bereits die Saugglocke angesetzt und ich musste weiter pressen. Nach 3 Presswehen kam dann meine Tochter Mathilda um 09:08 Uhr mit 46cm und 2620g zur Welt. Sie wurde mir auf die Brust gelegt und schrie wie am Spieß. Den Augenblick konnte ich kaum genießen, da ich zu diesem Zeitpunkt bereits körperlich am Ende war.

Anschließend wurde mir Oxytocin über einen Tropf verabreicht, um die Wehentätigkeit für die Geburt meiner zweiten Tochter anzuregen. Diese kam dann 20 Minuten später um 09:28 Uhr mit 48cm und 2320g auf die Welt. Sie lag kurz auf meiner Brust und schaute mich direkt mit ihren großen Kulleraugen an. Endlich spürte ich Erleichterung und realisierte langsam, dass es nun geschafft war.

Unvorhergesehene Komplikationen

Leider gab es Komplikationen, da auch nach weiteren 15 Minuten meine Plazenten nicht geboren werden konnten. Aufgrund meines labilen Zustandes entschied man sich dann, die Plazenten manuell zu lösen und auszuschaben. Hierfür wurde ich lokal über meine PDA betäubt. Plötzlich standen ganz viele Ärzte und Helfer um mich herum und bevor ich mitteilen konnte, dass ich alles spürte, was in meinem Unterleib passiert, wurde ich bewusstlos. Ich muss einige Minuten weg gewesen sein, denn als ich aufwachte standen noch mehr Ärzte um mich herum und ich hatte eine Sauerstoffmaske auf meinem Gesicht. Meine rechte Hand hielt die Hand des Anästhesisten fest, meine linke Hand die Hand einer Gynäkologin.

Diese Schmerzen, die ich durchlebte, während die Plazenten ausgeschabt wurden, kamen aus der Hölle. Ich weinte und schrie und hoffte einfach nur, dass es schnell vorbei sein würde. Es verging dann noch eine halbe Stunde, bis es geschafft war, mein Kreislauf war im Keller und ich hörte nur, wie die Ärztin zu mir sagte: „Frau S. Sie haben sehr viel Blut verloren und Ihnen wird es die nächsten Tage nicht gut gehen, aber Sie werden es überstehen. Sie haben einen Dammriss, dieser wird jedoch schnell verheilen.“

Als meine Sauerstoffsättigung in Ordnung war, entfernten sich nach und nach alle Ärzte und mein Mann kam gemeinsam mit meinen beiden Töchtern in den Kreissaal. Jeder von uns hatte ein Kind auf der Brust und wir durften erstmal ankommen, doch ich konnte diesen Moment nicht genießen. Ich wollte einfach nur weinen und vergessen, was in den letzten 20 Stunden voller Schmerzen und Hilflosigkeit passiert ist. Nach zwei Stunden im Kreissaal wurden wir dann ins gebuchte Familienzimmer verlegt.

Die ersten Tage nach der Zwillingsgeburt

Die ersten drei Tage konnte ich kaum aufstehen, geschweige denn laufen. Jeder Gang zur Toilette war eine Qual und ich war ständig auf Hilfe angewiesen. Ich lag die meiste Zeit einfach nur da und weinte apathisch vor mich hin. Wäre mein Mann nicht da gewesen, hätte ich meine Kinder nicht versorgen können. Nun musste sich mein Mann um unsere Kinder kümmern und sich gleichzeitig um mich sorgen. Von den Schwestern auf der Station erhielten wir nur widerwillig Hilfe beim Füttern und Wickeln.

Ich fühlte nichts als Leere, dabei sollte ich doch überglücklich über die Geburt meiner Töchter sein. Ich hatte ein unglaublich schlechtes Gewissen, nicht für meine Kinder da sein zu können und gab mir die Schuld für die Situation, in der wir uns nun befanden.

Nach 5 Tagen Klinikaufenthalt mit schlaflosen Nächten und vielen Tränen wurden wir entlassen und ich hatte panische Angst vor der Zeit daheim, dabei sollte ich mich doch auf Zuhause freuen?

Am Ende der Kräfte

Die ersten zwei Wochen nach der Entlassung waren meine persönliche Hölle. Ich war kreideblass und mit jedem Tag ging es mir körperlich und mental immer schlechter. Ich konnte nicht schlafen und mich kaum ausruhen. Mit dem Wochenfluss verlor ich gefühlt meine letzten Reserven und 14 Tage nach der Geburt meiner Töchter hatte ich bereits 16 kg verloren – zugenommen hatte ich während der Schwangerschaft jedoch nur 10 kg. Ich konnte plötzlich das Weinen meiner Töchter nicht ertragen, legte die Kinder ab und verließ den Raum, sodass mein Mann mit ihnen alleine war. Was war ich für eine Mutter, die nicht für ihre Babys da sein konnte?

Es war ein Sonntag, an dem dann nichts mehr ging. Ich lag im Bett und konnte nicht mehr aufstehen. Ich weinte und musste den ganzen Tag nur an die Geburt denken. Ich wollte nicht mehr und war unglaublich verzweifelt.

Mein Mann rief meinte Tante an, weil er sich nicht mehr zu helfen wusste und bat sie darum, mit mir zu reden. Im Gespräch erzählte ich ihr wie ich mich fühle. Da sie Intensivkrankenschwester ist, erkundigte sie sich auch nach meinen körperlichen Symptomen. Wir schauten gemeinsam in meinen Entlassungsbericht und den Mutterpass und ihr fiel direkt auf, dass etwas mit meinem Hb-Wert absolut nicht stimmte. Dieser sollte bei einer gesunden Frau bei mindestens 12 liegen. Mein Hb war laut Entlassungsbericht bei 6,3 – vermutlich aufgrund des enormen Blutverlustes unter der Geburt. So ein Wert ist lebensbedrohlich, doch ich wurde genau mit diesem Wert entlassen. Es war kein Wunder, dass ich nicht mehr konnte. Meine Tante setzte mich in ihr Auto und wir fuhren direkt in die Klinik. Hier wurde ich 4 Tage mit Infusionen aufgepäppelt und von da an ging es körperlich bergauf.

Aufarbeitung meiner traumatischen Zwillingsgeburt

Meine Seele jedoch litt weiterhin und es vergingen Monate, bis ich an die Geburt denken konnte, ohne weinen zu müssen. Ich realisierte immer mehr, dass ich eine traumatische Geburt hinter mir hatte und es nun meine Aufgabe ist, dieses Trauma zu verarbeiten. Ich sprach mit meiner Familie und engen Freunden über die Geburt, auch wenn es jedes Mal unglaublich schmerzhaft war. Ich sprach mit einer Psychologin über meine Gedanken und suchte Rat bei einer Familientherapeutin. Ich lies den Schmerz zu und teilte meine Gefühle mit anderen. Ich arbeitete daran, mir selbst nicht die Schuld für das zu geben, was und wie es passiert war und verstand mit der Zeit, dass ich mich nicht schlecht fühlen musste, weil ich die erste Zeit nicht für meine Töchter da sein konnte.

Die Wunden heilen langsam

Nun sind meine Töchter fast 4 Monate alt und ich kann endlich all die Gefühle zulassen, die ich mir zu Beginn erhofft habe. Ich schaue mir dieses Wunder an und bin stolz darauf, sie aus eigener Kraft auf die Welt gebracht zu haben. Die erste Zeit war unfassbar hart und wenn ich diese Zeilen schreibe, schießen mir erneut die Tränen in die Augen, doch die Wunden heilen – langsam aber sicher.

Ich wünsche mir, dass Mütter mit traumatischen Geburtserfahrungen ihre Gefühle teilen und darüber sprechen, was sie erlebt haben. Keine Frau braucht sich dafür schämen oder gar schlecht fühlen und das Erlebte mit sich ausmachen. Es tut sehr weh und kostet viel Überwindung, doch es hilft enorm, um das Trauma zu verarbeiten. Das Erlebte vergesse ich nie, doch mit der Zeit tut es immer weniger weh, wenn ich daran zurückdenke.

Liebe Veronika, wir danken Dir für Dein Vertrauen Deine Geschichte der traumatischen Zwillingsgeburt mit uns zu teilen und damit Mamas zu ermutigen über ihre traumatischen Erfahrungen zu sprechen! Wir wünschen Dir, dass Deine Wunden so gut es eben geht heilen und Du diese verarbeiten kannst. Ganz viel Kraft für Dich!

Traumatische Zwillingsgeburt: Welche Anzeichen können ein Hinweis auf ein Geburtstraum geben? In diesem Beitrag kannst Du Dich weiterführend informieren.

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