Mein steiniger Weg zur Zwillingsmama – Sarah´s Erfahrungsbericht

0
www.es-sind-zwei.de DAS Zwillingsportal Mein steiniger Weg zur Zwillngsmama
©ภาพของeakmoto271 canva.com

Sarah ist selbst Zwilling und seit sie denken kann treibt sie eine Angst um, die Angst schwanger zu sein. In ihrem sehr eindrücklichen Erfahrungsbericht teilt sie ihre Gedanken und Gefühle von Bekanntwerden der Schwangerschaft, über Panik während der Schwangerschaft und wie aus Angst, Stolz und Danbarkeit wurde. Sarah´s steiniger Weg zur Zwillingsmama:

Triggerwarnung: Dieser Beitrag behandelt ein sensibles, emotionales Thema bei Zwillingsschwangerschaften.

Wir möchten diesen Erfahrungsbericht mit Dir teilen, um die Vielfallt der Zwillingsschwangerschaften aufzuzeigen und betroffene Personen zu ermutigen. Dein Wohlergehen liegt uns am Herzen. Bitte prüfe und entscheide für Dich selbst, ob Du Dich mit diesem Thema auseinandersetzen möchtest, bevor Du weiterliest.

Don’t google with a Kugel

– das ist vermutlich einer der ganz wenigen Ratschläge, den sich schwangere Menschen überhaupt zu Herzen nehmen sollten. Das Internet war für mich während meiner gesamten Schwangerschaft (und teilweise auch jetzt noch) Fluch und Segen gleichermaßen. Schon lange bevor der viel zu früh durchgeführte Schwangerschaftstest einen klitzekleinen, dünnen, eigentlich eher erahnbaren Streifen angezeigt hat, habe ich Foren durchwälzt, Blogeinträge ausgekramt und auf Seiten gestöbert, die ich im Nachhinein „die rosa Seiten“ nenne. Der Content hat hier immer irgendwas mit Frauen und Babies zu tun. Klarheit habe ich vor allem zu der Frage gesucht, ob ich überhaupt Kinder bekommen möchte. Aber was soll der Plural hier überhaupt: EIN Kind. Ob ich ein Kind bekommen möchte. Eigentlich muss ich auch hier noch einen Schritt weiter zurück: Ob ich schwanger werden möchte.

Angst vor dem Schwanger-Sein hatte ich eigentlich schon mein gesamtes Leben, zumindest so lange, wie ich mich zurückerinnern kann. Die Frage ob oder ob lieber nicht ich Mutter werden möchte, war von dieser Angst so sehr überschattet, dass ich erst meine Mittdreißiger überschreiten musste, um an den Punkt zu kommen, dem ganzen überhaupt eine Chance geben zu wollen. Meine Angst war dabei nicht diffus sondern sehr konkret: Was ist, wenn das Kind nicht gesund zur Welt kommt? Was ist, wenn es nicht ein Kind wird sondern ich Zwillinge bekomme? Ich erinnere mich noch deutlich an ein Gespräch mit meiner Stiefmutter, bei der ich sie direkt und fast schon patzig fragte, was ich denn bitte machen solle, wenn ich mit Zwillingen schwanger werden würde. „Umso besser“ hat sie geantwortet und ich konnte nicht verstehen, was daran „gut“ oder eben „umso besser“ sein sollte.

Bei dieser panischen und bei einer Wahrscheinlichkeit von 1:85 doch eher irrational anmutenden Angst vor einer Zwillingsschwangerschaft, hätte es doch eigentlich klar sein müssen, dass hier das Schicksal zuschlägt, oder?

Zu dem Zeitpunkt fand ich das jedenfalls nicht. Ich tröstete mich mit diesen Zahlen, also der Unwahrscheinlichkeit, dass die Natur ausgerechnet mich doppelt beglücken sollte. Je konkreter das Kinder-Thema bei mir auf den Plan rückte, desto mehr begann ich meine eigene Geschichte – die traumatische Geburt von mir und meiner Zwillingsschwester und dessen Folgen – wegzudrücken. „Wird schon schiefgehen“, „Augen zu und durch“, „In den meisten Fällen geht alles gut“ lief in Dauerschleife in meinem Kopf.

Und obwohl ich ein Zwillingskind bin und mein Freund ein Zwillingskind ist, konnte ich mich irgendwann doch selbst davon überzeugen, dass meine Angst irrational war. Schließlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt, dass ein doppelter Eisprung nur über die Mutter vererbt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit steigt dann zwar auch noch mal leicht mit dem Alter, aber hey, so alt war ich ja nun auch noch nicht.

Der positive Schwangerschaftstest ein Schock

Ziemlich tiefrot war der Strich dann irgendwann auf dem Schwangerschaftstest und als mein Freund und ich uns dann in SSW 8 aufs Fahrrad auf dem Weg zur Gynäkologin machten, wollte ich ihn mit dem Satz „Stell dir mal vor es werden Zwillinge“ eher ein bisschen gruseln, als dass ich selbst daran glaubte. „Dann hätte ich richtig Schiss“ kam zurück…

Wenig Momente haben sich in meinem Leben bisher so sehr in meinen Kopf gebrannt wie der Satz „Ich seh da zwei“, der uns eine halbe Stunde später aufgetischt wurde. Und mein Wortschatz beschränkte sich für eine sehr lange Zeit nur auf „Oh Gott“.

„Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott…“

“Ich krieg doch einen Kaiserschnitt oder?“

„Oh Gott. Oh mein Gott. Oh Gott. Oh Gott…“

“Ist das jetzt ne doppelte Risikoschwangerschaft?“

„Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott…“

Als wir dann einige Zeit später die Praxis verließen, kam noch ein „Aber drei hat sie nicht gesehen, oder? Sicher?“ dazu. Mehr kam für lange Zeit dann nicht.

An die darauffolgenden zwei Wochen kann ich mich kaum noch erinnern. Ich habe viel geweint und immer wieder versucht, die Panik wegzuatmen. Nur um immer wieder festzustellen, dass ich soviel gar nicht atmen kann, wie es bräuchte, um die Panik langfristig zu verbannen. Nach einem Termin bei meiner Therapeutin kam dann ein neues Mantra dazu, das mir etwas besser half: „Es ist gerade alles in Ordnung. Es ist noch nichts passiert. In der Realität bleiben!“. Damit rettete ich mich durch die darauffolgenden Wochen, bis der nächste Paniktermin bevorstand: Die frühe Feindiagnostik.

Obwohl mir meine Gynäkologin versichert hatte, dass sie jeder Zwillingsschwangeren eine Überweisung zur frühen Feindiagnostik ausstellt, machte sich bei mir das Misstrauen breit. Warum hatte sie mich überwiesen? Hat sie etwas auf dem Ultraschall gesehen? Habe ich ein höheres Risiko wegen meiner eigenen Geschichte? Aber wie sollte sie das einschätzen? Was genau bei der Geburt von mir und meiner Zwillingsschwester schiefgelaufen war, hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt ja selbst noch niemand erklärt. Zu groß war dieses Familientabu und irgendwann war die Angst vor dem, was gewesen sein könnte, genauso diffus und groß.

Für mich war von Vornherein klar, dass ich beide Babies bekommen würde – ganz egal, was die Feindiagnostik bringen sollte. Mein Freund erschreckte dieser Absolutismus. Ganz egal was? Auch wenn die Kinder nicht lebensfähig sein sollten? Und schwupps waren wir wieder bei unseren absoluten Angstthemen, die wir wieder und wieder durchkauten.

Über Rückzug und Einsamkeit

Ich wurde immer einsamer. Im echten Leben – da ich mich von allen sozialen Kontakten zurückzog, um mich nicht doch noch mit Corona anzustecken, die Schwangerschaft zu gefährden, mein zu diesem Zeitpunkt als unendlich riesig imaginiertes Risiko noch weiter zu erhöhen. Und auch emotional. Ich zog mich in mich zurück und in meine Angst. In das Gefühl, ganz alleine zu sein mit dieser Schwangerschaft, mit diesem unheimlichen Körper, den ich nicht mehr steuern konnte. In düstere Zukunftsvisionen: Ich alleine mit zwei Babies, mit dem einen überlebenden Baby, mit keinem Baby, falls beide nicht überleben sollten. Das „Risiko“ in dieser Risikoschwangerschaft wurde von einer Wahrscheinlichkeit zu einer Diagnose und ich war irgendwann überzeugt davon, auf eine dunkle Wolke zuzurennen. Jedes Ziepen und Drücken –Und davon gab es viel – war ein Vorbote für eine Tragödie.

Diese Angst war für die Menschen um mich herum, vor allem aber für das mich betreuende medizinische Personal natürlich deutlich spürbar. Und auf ganz unterschiedliche Art wurde darauf reagiert: Der Feindiagnostiker erklärte mir im Vorgespräch, dass ich mir keine Sorgen machen solle, schließlich hätte ich ja noch die risikoarme Variante einer Zwillingsschwangerschaft, was er mir mit Statistiken zu belegen versuchte. Im Laufe der Untersuchung stellte sich dann heraus, dass ich statt mit zweieiigen nun doch mit eineiigen Zwillingen schwanger war, die sich eine Plazenta teilten. Die Statistiken drehten sich damit zu meinen Ungunsten und auch seine überzeugten Schilderungen, bei Komplikationen operativ eingreifen zu können (Spoiler: passiert ganz selten, Spoiler II: zu diesem Zeitpunkt keine hilfreiche Info!) trieben mich noch mehr in die Verzweiflung.

Kontrollen, Kontrollen, Kontrollen

Das tat ihm dann auch ein bisschen leid und er bestellte mich daraufhin ab SSW 16 zur wöchentlichen Kontrolle in die Praxis. Ich habe im Nachgang viel darüber nachgedacht, ob diese engmaschigen Kontrollen wirklich notwendig waren. Vermutlich hat er versucht, meiner Angst mit größtmöglicher medizinischer Kontrolle zu begegnen. Auch meine Gynäkologin schickte mich im Verlauf der Schwangerschaft bei einem scheinbar auffälligen CTG bestimmt schneller zur Kontrolle ins Krankenhaus, als sie das bei einer entspannten Schwangeren getan hätte. Im Krankenhaus selbst wurde mir dann erneut eingebläut, doch wirklich bei jeder Unsicherheit und bei jedem komischen Gefühl zu kommen (War ich wirklich so alleine mit dem Gefühl, dass sich die GESAMTE Schwangerschaft komisch angefühlt hat?).

All das führte natürlich nicht dazu, mit Körper- und Kindesvertrauen und dem notwendigen Optimismus durch die Wochen und Monate der Schwangerschaft zu gehen. Ich hangelte mich von Kontrolle zu Kontrolle und versuchte schüchtern, meinen eng gestrickten Begleitungs- bzw. Überwachungsturnus zu hinterfragen. Niemals hätte ich mich aber getraut, gegen ärztlichen Rat zu handeln. Auch dann nicht, als der Kaiserschnitttermin vier Wochen vor dem Entbindungstermin angesetzt wurde, was um einiges früher war, als mir lieb war. Aber wie sollte ich das richtig einschätzen? Mit der Zeit machte sich auch ein diffuses Misstrauen breit. Sagen mir meine Ärztinnen und Ärzte wirklich alle die volle Wahrheit? Wenn ich mir keine Sorgen machen muss oder sollte, warum werde ich dann ständig ermuntert, schnell wiederzukommen?

Gegengewicht bildete meine Hebamme, die mir immer wieder „Zeit, mich zu freuen“ verordnete und der schwierigen Aufgabe gegenüberstand, mich in meinem Zweifeln an der ärztlichen kurzen Leine zu bestärken, ohne mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Das lauerte nämlich selbstredend direkt hinter der Angst vor Komplikationen! Also wieder her mit Google: Sind Ultraschalluntersuchungen wirklich nicht schädlich für die Babies? Wieviel ist zu viel? Welche Auswirkungen hat Stress auf die Schwangerschaft? Irgendwann bekam ich dann Google-Verbot verordnet, an das ich mich mehr oder minder auch hielt.

Mein Weg zur Zwillingsmama: Die Geburt und das Wochenbett

Meine wunderbaren Kinder haben mir die Sorge um den frühen Kaiserschnittermin dann genommen: Zwei Tage davor machten sie sich eigeninitiativ auf den Weg. Es war also tatsächlich eine Frühgeburt – aber nicht so früh, wie ich befürchtete. Meine Kinder waren klein und zierlich – aber fit und gesund. Die Geburt war kein Spaziergang – aber letztlich ging es schnell und mein Körper erholte sich in rasantem Tempo.

Die Sorgen, Arzttermine und das Unwohlsein in der Schwangerschaft waren eine Vollzeitbeschäftigung und haben kaum Platz gelassen, mich gedanklich mit der Zeit nach der Geburt zu befassen. Also wurde ich im Wochenbett überrollt! Zwei kleine Frühchen, etwas zu leicht, etwas zu gelb und zwei überforderte und maßlos übernächtigte Eltern…

Im Nachgang denke ich nicht gerne an diese ersten Wochen zurück, in denen ich keine Kapazitäten hatte, richtig zu registrieren, dass die Schwangerschaft nun vorbei und meine Kinder gesund auf der Welt sind.

Nach den ersten zwei Monaten hatten wir eine gute Routine entwickelt und es gab immer mal wieder Raum dafür, zurückzublicken und damit zu beginnen, die vorausgegangenen Monate zu verarbeiten. Nun begann für mich die Zeit, mich eingehend mit dem Thema Geburt zu beschäftigen, mit dem Wochenbett, Stillstart und Babypflege. An den Zoom-Sessions meines Zwillings-Geburtsvorbereitungskurses hatte während meiner Schwangerschaft nicht teilgenommen. Zu groß war die Angst, von weiteren möglichen Komplikationen zu hören und von Geburtsberichten, die meine Angst vergrößern würden. Auch die Videos und Handouts des Kurses hatte ich nur wohl-kuratiert und ausgesucht angesehen.

Mein Weg zur Zwillingsmama: Aufarbeitung, Stolz und Dankbarkeit

Und schleichend und ohne genau zu wissen, was ich da tat, habe ich postpartum und post-Wochenbett begonnen, rückwirkend meine Schwangerschaft zu feiern. Es war zwar keine schöne Umstandsmode, nach der ich in rar gesäten stillen Momenten online geshoppt habe, sondern kleine Wickelbodies. Vor allem habe ich mich aber wann immer ich konnte in die Zoom-Sessions meines Geburtsvorbereitungskurses eingeloggt und mich mit Zwillingsschwangeren und jungen Müttern ausgetauscht.

Langsam begann damit der Prozess der Aufarbeitung und langsam kam auch der Stolz darüber, was mein Körper da geleistet hat. Wie stark meine Kinder mit uns durch die ersten Wochen gegangen sind. Und irgendwann kam auch die überwältigende Dankbarkeit, dass wir alle dort gelandet sind, wo wir heute sind. Ja, es hat nun insgesamt acht Monate gedauert, diesen Text zu schreiben. Seit acht Monaten habe ich nicht mehr länger als vier Stunden am Stück geschlafen – und diese Nächte, in denen das geklappt hat kann ich an einer Hand abzählen – aber ich bin an den allermeisten Tagen so gerne Zwilllingsmama, wie ich es mir vorher nie vorstellen konnte.

Mir stockt manchmal immer noch der Atem wenn ich zwischendurch mal gedanklich einen Schritt zurücktrete und mir klar mache, dass ich nun zwei Kinder zu versorgen habe. Aber jetzt tu ich das, was ich in meiner Schwangerschaft nicht konnte: Auf meine Intuition vertrauen und Meinungen und Ratschläge von außen auch gerne mal ignorieren. In den meisten Momenten kann ich mir dann auch verzeihen, dass ich diese Kraft in meiner Schwangerschaft noch nicht hatte und mich von Angst statt Intuition hab leiten lassen.

Heute bin ich heilfroh, dass ich mit einer Schwangerschaft gleich zwei Kinder bekommen habe und die Familienplanung damit für mich endgültig abgeschlossen ist. Weil erneut schwanger werden möchte ich nun doch nicht noch einmal…

Liebe Sarah, danke für diesen wertvollen Einblick in deine Gefühlswelt und für Dein Vertrauen, dass wir Dich einen Stück des Weges begleiten durften!

Du suchst noch mehr Erfahrungsberichte ähnlich mein steiniger Weg als Zwillingsmama?

Monochorial-monoamniote Zwillingsschwangerschaft: Ein Erfahrungsbericht

Unerfüllter Stillwunsch bei Zwillingen: Ein Erfahrungsbericht

Die Reise zur Geburt meiner Zwillinge: Annas Erfahrungsbericht