Wie lebt es sich als Regenbogenfamilie mit Zwillingen und welche Hürden kommen auf homosexuelle Paare bei Kinderwunsch zu? Am heutigen Tag gegen Homophobie freuen wir uns sehr, dass Sarah, die mit ihrer Frau Gina und ihren Zwillingen in Berlin lebt, hier über ihre Erfahrungen und Erlebnisse berichtet.

Hattet Ihr Beide den Wunsch ein Baby zu bekommen oder stand von Beginn an fest, dass nur eine von Euch ein Baby möchte?

Gina hatte, bevor sie mich kennenlernte, gar keinen Kinderwunsch. Für mich war immer klar, dass ich mindestens zwei Kinder will. Allerdings war es ursprünglich so geplant, dass jede von uns ein Kind bekommt. Jetzt habe ich halt zwei auf einmal bekommen und aktuell sieht es so aus als würde es dabei bleiben.

Musstet Ihr Lange für diesen Wunsch kämpfen und welche Hürden gab es für Euch?

Als homosexuelles Paar bekommt man von den Krankenkassen keinerlei Unterstützung. Im Prinzip sagen die, dass wir es uns ja selbst „ausgesucht“ hätten und uns ja „einfach“ einen Mann suchen könnten. Ich würde gern mal das Hetero-Paar sehen, bei dem der Mann unfruchtbar ist und denen dann gesagt wird, die Frau solle sich einen anderen Mann suchen.
Ja, es gab viele Hürden. Die Krankenkasse war nur eine davon. Insgesamt hat vom Beginn der Behandlung bis zur Schwangerschaft ca. 16 Monate gebraucht. Viele Versuche und noch mehr Geld. Wären wir finanziell etwas schlechter aufgestellt gewesen, hätten wir uns die Behandlung nicht leisten können.
Zusätzlich ist es so, dass man als homosexuelles Paar selten diese Sonderleistungen bei den Steuern geltend machen kann.
Und zum Thema „Hürden bei der Adoption“ fange ich besser gar nicht erst an. Was ich schon mal verraten kann, ist, dass meine Frau (die soziale Mutter) per Gesetz behandelt wird wie eine völlig fremde Person.

Wie hat sich die Kinderwunschbehandlung für Euch als Paar ausgewirkt?

Es gab Höhen und Tiefen, aber insgesamt hat uns der ganze Prozess noch enger zusammenrücken lassen und es ist eine tiefere Verbundenheit entstanden. Das ist nicht selbstverständlich und deswegen umso schöner.

Erinnert Ihr Euch an den Moment, wo feststand, dass Ihr Zwillinge bekommt und was waren Eure ersten Gefühle und Gedanken?

Bei mir war es so, dass ich es total super fand und irgendwie den Eindruck hatte, dass es gut zu mir passt. Wenn ich was mache, dann auch gleich richtig. Ein Kind kann ja jede. Bei Gina war die Freude als erste Reaktion etwas verhaltener. Sie macht sich eh schneller Sorgen als ich. So auch bei der Nachricht. Ihr ist direkt durch den Kopf gegangen, dass wir jetzt alles doppelt brauchen, alles teurer wird, es eine Risikoschwangerschaft wird usw.

Wie wurde Euch als Regenbogenfamilie von Seiten des Fachpersonals wie Hebamme, Gynäkologen, Kinderarzt als Regenbogenfamilie mit Zwillingen „on top“ begegnet? Gab es Unsicherheiten, Fragen, Vorurteile oder wurde Euch mit Selbstverständnis begegnet?

Nach längerem Suchen haben wir eine Kinderwunschklinik gefunden, die keine Unterschiede macht. Viele Kliniken hätten uns gar nicht aufgenommen. Unsere hat nicht nur keinen Unterschied gemacht, sie hat uns auch nie spüren lassen, dass wir etwas Besonderes darstellen. Das ist mir persönlich die beste Form der Behandlung, denn abgesehen vom Geschlecht, gibt es auch keine Unterschiede. Wir haben dieselben Ängste, Hoffnungen und Wünsche wie alle anderen auch.
Im Prinzip interessiert sich das gesamte medizinische Fachpersonal nicht für uns. Wir haben überall eine super tolle Behandlung bekommen. Im Gegenteil sogar, die Stillberaterin im Krankenhaus hat fast angefangen zu weinen als sie uns im Krankenhaus beobachtet hat, weil sie selten soviel Liebe und Fürsorge (auch oder speziell für die stillende Mutter, mich) gesehen hätte.

Habt Ihr darüber nachgedacht mit Hilfe von induzierter Laktation, beide die Zwillinge zu stillen oder war dies gar kein Thema?

Wir fanden das Risiko und den Aufwand zu hoch, aber klar, wir haben darüber nachgedacht. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich es so wie wir es gemacht haben, perfekt finde. Gina konnte mich versorgen, während ich die Zwillinge gestillt habe oder abgepumpt habe. So sind wir zu viert absolute Profis geworden. Ich habe auch erst nach 15 Monaten langsam abgestillt und würde alles wieder so machen, obwohl wir einen unglaublich schweren Start hatten.

Wann, auf welchem Wege und mit welchem Gewicht wurden Eure Zwillinge geboren? Sind sie eineiig oder zweieiig?

Sie sind am 06.01.2019 geboren. Amalia kam per Spontangeburt und Elijah per Notkaiserschnitt. Beide haben jeweils knapp 2500 Gramm gewogen und sind bei 38+1 eingeleitet und geboren worden. Sie sind zweieiig.

Ihr lebt in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, dies bedeutet, dass die nicht biologische Mutter nicht automatisch als Elternteil auf den Geburtsurkunden eingetragen wird, sondern die Zwillinge als Co-Mutter adoptieren muss. Erst mit der Adoption wird sie auch rechtlich Mutter. Habt Ihr Euch dafür entschieden und wie ist dies abgelaufen? Falls Ihr Euch dagegen entschieden habt, was waren die Gründe?

Mal abgesehen davon, dass der ganze Prozess veraltet und eine Frechheit ist, haben wir uns dennoch dafür entschieden. Das Verfahren ist sehr diskriminierend, wobei wir noch Glück hatten und eine Bearbeiterin beim Jugendamt hatten, die das auch so sieht. Der Richter war etwas konservativer. Aber mittlerweile sind die Kinder adoptiert und würden, im Falle dessen, dass mir etwas passiert, bei ihrer rechtmäßigen Mutter bleiben und nicht zu Fremden. Das ganze hat ein Jahr gedauert.

Der Ablauf ist folgendermaßen:

  • 6 Wochen nach der Geburt darf erst der Antrag auf Adoption gestellt werden, selbstverständlich notariell beglaubigt.
  • In diesem Antrag muss dargestellt werden, wie die Kinder entstanden sind und wer eventuell noch Ansprüche gelten machen könnte.
  • Dann muss die Co-Mutter eine Stellungnahme schreiben wie sie die Beziehung zu den Kindern beschreiben würde, dabei interessiert sich niemand dafür, dass es gemeinsam geplante Wunschkinder sind.
  • Dann wird alles beim Gericht eingereicht.
  • Als nächstes muss jemand vom Jugendamt eine Stellungnahme schreiben und einen Hausbesuch machen, dabei soll es darum gehen sich die häuslichen Verhältnisse anzusehen.
  • Irgendwann wird man zu Gericht bestellt und muss dort noch mal gemeinsam darlegen, ob und wie man zu den Kindern steht.

Je nach Bearbeiter*in, Richter*in und Gemeinde muss man auch noch seine finanziellen Verhältnisse offen legen, erklären wie die Familien zu den Kindern stehen (das mussten wir beispielsweise machen), seine Krankenakten offen legen und beweisen, dass man mit Geld umgehen kann.

Wie gesagt, ein diskriminierender Prozess. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in homosexuellen Beziehungen nur Wunschkinder geboren werden.

Gab es Hürden beim Elterngeld oder der Elternzeitbeantragung und falls ja, welche?

Nein, absolut nicht. Jede*r kann Elternzeit- und geld beantragen.

Bei heterosexuellen Paaren gibt es nicht selten eine „klassische Rollenverteilung“.  Wie haben sich Eure Rollen im Hinblick auf die Zwillinge entwickelt?

Wir sind einfach zwei Menschen, die ständig Rollen darstellen. Ich glaube, dass wir uns kaum von einer modernen heterosexuellen Beziehung unterscheiden.
Ich koche, handwerke und kümmere mich hauptsächlich um den Garten. Bin dafür aber selbstständig, habe mehrere Angestellte und habe Hobbys wie Physik, Biologie, Anthropologie und Paläontologie.
Während Gina putzt, Wäsche macht und alles, außer das Zahlen von Rechnungen, organisiert. Ihre Hobbies sind Einrichtung, Kleidung und Pferde.
Keine Ahnung, was davon jetzt besonders weiblich oder männlich ist.
Natürlich habe ich als stillende Mutter eine andere Rolle als sie gehabt, bezogen darauf war sie dann wohl der nicht stillende „Vater“.

Wie bezeichnen Euch Eure Kinder bzw. wie benennt Ihr Euch als Elternteile gegenüber den Zwillingen?

Ich bin Mama und sie ist Mami. Das haben wir so festgelegt, weil sie grundsätzlich strenger und ernster ist als ich und wir nicht auch noch meine Ansprache verniedlichen wollten.

Wie reagiert Euer Umfeld auf Euch als Regenbogenfamilie?

Gut. Alle akzeptieren und respektieren uns gleichermaßen. Wir bekommen ausschließlich positive Rückmeldung, aber auch hier ist es so, dass sich niemand für uns als Regenbogenfamilie interessiert.
Im Bezug auf den Kita-Platz haben wir eine positive Diskriminierung erfahren. Zwillinge, bikultureller Hintergrund und zwei Mütter… das hat uns weit nach oben auf der Warteliste gebracht.

Gibt es spezielle Angebote, Anlaufstellen für Regenbogenfamilien die Zwillinge haben?

Nein, das ist auch nicht nötig. Wenn alle Menschen gleichbehandelt werden, reicht einfach eine Anlaufstelle für Eltern mit Zwillingen, egal welcher sexuellen Orientierung. Letztere spielt bei der Elternschaft auch keine Rolle.

Tauscht Ihr Euch mit anderen Regenbogenfamilien mit Zwillingen aus?

Nein, davon gibt es auch nicht soviele . Aber wir tauschen uns mit anderen Zwillingseltern aus, die haben ein anderes Verständnis.

Was möchtet Ihr der Gesellschaft im Hinblick auf Regenbogenfamilien mitgeben?

Same same, but different.

Wir lieben unsere Kinder nicht weniger, im Gegenteil. Es gibt viele Studien, die belegen, dass es Kindern aus Regenbogenfamilien insgesamt besser geht, weil sie in der Regel gewollt sind und eine absolut bewusste Entscheidung waren. Dennoch würde ich der Gesellschaft gern mitgeben, dass sie sich weniger an unserer sexuellen Orientierung oder unserem Geschlecht aufhalten sollen. Und natürlich ein großes Danke an alle, die sich wünschen, dass auch wir gleichberechtigt und gleichbehandelt werden. Die Gesellschaft ist auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ende.

Liebe Sarah, wir freuen uns so sehr, dass Du spontan über Euch und Euer Leben berichtet hast. Und nicht nur dass, Du hast auch einen Podcast, in dem Du regelmäßig über viele Aspekte rund um das Leben mit Zwillingen und Eure Erfahrungen erzählst. Das finden wir großartig und wichtig und legen diesen Zwillingseltern gerne ans Herz. Zu finden ist der Zwillingsglück-Podcast bei Spotify und Itunes.

Wenn Du Dich mit Sarah und Gina vernetzten oder auch einfach kleine Einblicke in ihr Leben haben möchtest, dann findest Du die Beiden auch bei Instagram (Sarah & Gina).

Wir hoffen sehr, dass dieser Artikel einen Beitrag dazu leistet, dass beschriebene diskriminierende Adoptionsverfahren für homosexuelle Paare, zu überdenken und dieses zu reformieren.

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