Sarah ist selbstständige Ostheopatin und schwanger mit Zwillingen, ihr zweites und drittes Kind. Hier erzählt sie ihre Geschichte der Zwillingschwangerschaft und Geburt. Leider wird Sarah in der Schwangerschaft und auch rund um die Geburt mit Aussagen konfrontiert, die stark verunsichern. Wenn Worte verängstigen – Erfahrungen einer Zwillingsschwangeren. Ein Weckruf!

Triggerwarnung: Dieser Beitrag behandelt ein sensibles, gesundheitliches Thema bei Schwangeren. Dein Wohlergehen liegt uns am Herzen. Bitte prüfe und entscheide für Dich selbst, ob Du Dich mit diesem Thema auseinandersetzen möchtest, bevor Du weiterliest.

Es sind 2!

Meine zweieiige Zwillingsschwangerschaft kam sehr überraschend. Also ja, wir wollten eigentlich ein zweites Kind, mit Abstand zum vier Jahre alten Bruder, damit wir nicht zwei Kleinkinder haben. Der Mensch plant, das Schicksal lacht! Es traf uns vollkommen unvorbereitet, wir sind beide selbstständig und hatten nie mit drei Kindern gerechnet, dass stellte alles auf den Kopf. Meine Schwangerschaft hatte von Beginn an viele emotionale Höhen und Tiefen, wie es eben so ist, wenn man „risikoschwanger“ ist. Ich mag den Begriff gar nicht!

Aussagen, die verunsichern

Körperlich war es für meine 1,64 m zierliche Statur sehr anstrengend und ich musste ab dem 7 Monat aufhören zu arbeiten. Als selbstständige Osteopathin war das nicht leicht, aber mir war wichtig, meine Kinder lange in mir behalten zu können.

Ich unterstützte meinen Bauch mit einem Bauchgurt, Mineralien für die Schwangerschaft und hörte auf meinen Körper so gut ich konnte. Die Techniken der „friedlichen Geburt“ halfen bei allen emotionalen Hürden durch Aussagen wie

von „sie sollten mehr Liegen“

bis hin zu „der Zweite ist in BEL“ (Beckenendlage),

„sie sollten den spontanen Geburtswunsch überdenken“,

„außerdem hatten sie schon mal einen Kaiserschnitt“.

Auch meine Praxis in München gab ich zu dieser Zeit auf, da ich mir pendeln mit drei kleinen Kindern erst mal nicht vorstellen konnte.

Im Gespräch mit der Klinik kam auf, dass man die beiden Jungs in der 37.SSW holen sollte, damit sie nicht unterversorgt sind. Das war okay für mich und machte alles Sinn in der Planung. Die Oberärztin hatte selbst Zwillinge und verabschiedete sich mit den Worte:

„Ich hoffe für Sie, es geht früher los, unser Körper ist nicht wirklich auf zwei Kinder oder mehr ausgerichtet“.

Ich wollte es unbedingt spontan versuchen. Der erste Zwilling lag schon früh mit dem Kopf unten, sein Bruder hatte noch viel Platz zum drehen und wenden (einen Tag vor der geplanten Sectio, lag auch er mit dem Kopf unten).

Ab der 36. SSW stellte ich mich innerlich schon auf den ausgemachten Sectiotermin in der 37.0 ein, da die Jungs keine Anstalten machten sich vorher loszutreten und mit bei der Größe mulmig wurde. Inzwischen war es körperlich so anstrengend, dass ich dem Termin entgegen fieberte.

Mir tat alles weh, ich schlief nicht mehr und Sodbrennen war seit Monaten ein Teil meines Lebens. Diese Schwangerschaft war psychisch und physisch die Herausforderung schlechthin. Das kannte ich so aus der ersten Schwangerschaft nicht, diese hatte ich sehr genossen. Es war halt auch nur ein Kind in mir!

Am Morgen des 20.12.22 fuhren wir in die Klink, der Älteste war bei Oma und Opa untergebracht, ich war entspannt durch meine Vorbereitung mir Hypnosetechniken und wir freuten uns auf die Zwillinge.

Zwei Stunden nach unserem Termin am Nachmittag hieß es, die Anästhesie ist überlastet, wir müssen auf die nächste freie Anästhesistin warten. Ich war seit 10 Uhr nüchtern und es war bereits 16:30 Uhr als auf einmal die komplette Liege nass wurde. Blasensprung.

Ab hier ging alles ganz schnell. Die Hebamme dachte es würde noch ewig dauern, da ich durch die Hypnosetechniken so ruhig war. Ich forderte ein, man solle den Muttermund bitte tasten. Der war komplett eröffnet! Es drehte sich alles. Ich war doch hier für die Sectio.

Die Kinder waren doch schon so groß, ich war nicht vorbereitet auf eine spontane Geburt. Ich musste binnen Sekunden entscheiden was ich wollte. Ich wollte die Sectio, oder doch nicht? Es war zu diesem Zeitpunkt noch immer keine Anästesie verfügbar und so blieb mir nichts anderes übrig als spontan zu gebähren. In der kurzen Bedenkzeit wurde ein wehenhemmendes Medikament angehängt, Ärzte und Hebamme sagten „wir machend das jetzt mit Ihnen, Sie schaffen das.“ Also legten wir los, in einer mir nicht so förderlichen Geburtsposition in halber Rückenlage mit einer leider nicht sehr empathischen Hebamme (die vorherige, sehr nette Hebamme musste weiter zu einem Notfall).

Ich war selbst noch total überfordert, zwei Wochen zuvor hatte ich mir eine Spontangeburt noch so gewünscht, aber jetzt kam mein Kopf nicht hinterher. Ich merkte schnell den Pressdrang, aber das Köpfchen wollte nicht durch und sie ließen mich auch nicht in den Vierfüßlerstand, wie von mir gewünscht. Sie wollten die Kinder überwachen, von der Hebamme viel der Satz:

„Lieber in Rückenlage als ein Kind mit Hirnschaden“.

Der Einfluss dieses Satzes kam mir erst Tage später.

Um 19:00 Uhr hieß es von einer dazustoßenden Ärztin „der OP wäre jetzt frei“, ich zögerte keine Sekunde und wollte meine Kinder über die Bauchgeburt gebären. Ab jetzt konnte sich alles in mir entspannen, wir fuhren in den OP. Mit zwei Minuten Abstand wurden meine Jungs dann geboren, gesund und mit je 3 kg! Ich trug also 6 kg Kind in mir, endlich waren sie da und diese kräftezehrende letzte Schwangerschaft hatte ein Ende.

Ich bin heute sehr stolz darauf, was mein Körper in dieser Zeit geleistet hat. Aus meiner osteopathischen Sicht ist es unfassbar was der weibliche Körper hier alles schafft.

Auf Grund meiner Erfahrung mit verunsichernden und verängstigenden Aussagen von Fachpersonal, möchte ich mit diesem Beitrag sensibilisieren.

Sensibilisieren, dafür wie mit Frauen in froher Erwartung gesprochen wird.

Sensibilisieren dafür, in welcher Form Aussagen getroffen werden.

Sensibiliseren dafür, dass man mit Frauen in einer sehr sensiblen Situation spricht, die Zuspruch und Ermutigung benötigen.

Das werde ich sicher mitnehmen in meine berufliche Zukunft und Frauen mit einer Zwillingsschwangerschaft noch kompetenter betreuen können.

Anmerkung von Es sind 2: Gewalt in der Geburtshilfe ob emotional oder physisch findet jeden Tag statt. Mütter und Fachpersonal für dieses Thema zu sensibilisieren, sehen wir als Teil unserer Aufgabe. Gewalt in welchem Maß und welcher Form auch immer, ist unmenschlich und schlichtweg nicht akzeptabel. Daher geben wir hier Müttern Raum ihre individuellen Erfahrungen zu teilen, um zur Reflektion anzuregen.

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