Paula teilt in ihrem Erfahrungsbericht die Herausforderungen und Erfolge, die sie beim Stillen ihrer Zwillinge erlebt hat. Von den ersten Vorbereitungen vor der Geburt bis hin zu den emotionalen und körperlichen Herausforderungen, die sie durchstehen musste, um schließlich eine gute Stillbeziehung zu beiden Kindern aufzubauen. Diese Reise war nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine wertvolle Lektion über Geduld und Durchhaltevermögen. Von Zweifeln zu Erfolg: Mein Weg beim Stillen von Zwillingen:
Vorbereitung auf das Stillen
Ich habe zwei Wochen vor der Geburt begonnen, mir Kolostrum auszustreichen – meine Hebamme hatte mir kleine Spritzen mitgebracht. Ich wollte von Anfang an stillen, auch wenn mir bewusst war, dass es bei Zwillingen eine besondere Herausforderung werden würde. Das Kolostrum-Sammeln klappte gut, obwohl es anfänglich nur Tröpfchen waren.
Unerwartete Komplikationen
Dann erkrankte ich kurz vor der Geburt schwer an Influenza. Die Geburt sollte eingeleitet werden, wurde aber wegen meines Fiebers verschoben. Schließlich platzte die Fruchtblase doch spontan. Mein Mann hatte die Kolostrum-Spritzen vergessen – bei Glatteis ist er in die Nachbarstadt (45 Minuten Fahrtweg) zurückgefahren, um sie zu holen. Es war ein starker Wintereinbruch. Am Ende war ich erleichtert, dass wir das Kolostrum hatten – ich hatte das Gefühl, zumindest etwas in der Hand zu haben.
Die Geburt
Die Geburt selbst war schwierig: Beide Babys waren Sterngucker und kamen mit Sauglocke zur Welt. Sie mussten direkt auf die Intensivstation. Meine Tochter kam mit der Faust voraus und musste manuell gedreht werden. Ich hatte große Angst, dass sie es nicht geschafft hatte.
Der Aufenthalt auf der Intensivstation
Am Nachmittag wurden die Kinder dann von der Intensivstation auf die reguläre Kinderstation verlegt. Ich konnte sie dort besuchen – mit dem Rollstuhl wurde ich täglich zwischen Stationen hin- und hergefahren, da ich körperlich sehr geschwächt war. Die Influenza hatte mich stark mitgenommen, zusätzlich hatte ich eine Rippenfellentzündung.
Herausforderungen beim Stillen von Zwillingen
Beide Kinder haben gut an der Brust getrunken – von Anfang an. Leider durfte meine Muttermilch, wenn sie Spuren von Blut enthielt, aus hygienischen Gründen nicht verfüttert werden. Eine Schwester warnte mich, dass ich ein Stillhütchen nehmen müsse, sonst würde mich meine Tochter „blutig beißen“ – und dann dürfe meine Milch nicht mehr verwendet werden. Es hieß, meine Tochter sei „ein richtiges Flaschenkind“, während mein Sohn „ein echtes Brustkind“ sei, da er sich an der Flasche ständig verschluckte.
Der Druck im Krankenhaus
Einmal fiel eine Kolostrum-Spritze mit 10 ml herunter – ich weinte und war völlig am Ende. Eine Schwester meinte nur: „Wenn Sie so viel weinen, bleibt eh die Milch weg.“ Das setzte mich stark unter Druck. Auf der Kinderstation durfte ich aus Hygienegründen nicht einmal im Bett, das es im Zimmer gab, liegen – nur sitzen oder stehen, obwohl ich kaum auf den Beinen war. Eine Schwester klappte mir dann doch heimlich das Bett auf – sie bekam dafür Ärger von den Kolleginnen.
Unterstützung und Entlassung
Nach nur zwei Tagen sollte ich entlassen werden: „Gynäkologisch sind Sie ja gesund.“ Ich erklärte, dass ich im 5. Stock ohne Fahrstuhl wohnte, 45 Minuten entfernt. Ich hätte meine Kinder dann gar nicht mehr sehen können, hatte keine Kraft, keine finanziellen Mittel – mein Mann und ich waren beide Studierende und hatten unsere Masterarbeiten gerade einmal eine Woche nach der Geburt abgegeben. Zum Glück vermittelte das Netzwerk Familie Dresden eine kleine, spendenfinanzierte Wohnung direkt neben der Klinik. Wir waren dringend auf diese Hilfe angewiesen – dort fühlten wir uns gut aufgehoben.
Schuldgefühle und professionelle Meinungen
Auf der Kinderstation hingegen bekam ich immer wieder das Gefühl, ich hätte meine Kinder mit Influenza angesteckt. Eine Schwester meinte: „Schauen Sie sich Ihre Kinder doch an – wundert Sie das?“ Obwohl ich konsequent Maske getragen hatte, wurde mir unterschwellig die Schuld gegeben. Auch von professioneller Seite bekam ich wenig Hoffnung: Eine Stillberaterin tastete meine Brust ab und meinte, bei mir würden Drüsen fehlen, um überhaupt genug Milch zu produzieren. Und meine Hebamme sagte später ehrlich, dass sie kaum jemanden kennt, der Zwillinge vollstillt.
Der Weg nach Hause
Nach zwei Wochen durften wir die Kinder endlich mit nach Hause nehmen. Dort fingen wir von vorn an. Mein Mann übernahm nachts unsere Tochter – sie bekam die Flasche, und ich stillte unseren Sohn. Ich hatte früh gemerkt, dass ich durch das Stillen eine intensivere Bindung zu meinem Sohn hatte als zu meiner Tochter. Das machte mich traurig, also versuchte ich auch sie an die Brust zu gewöhnen. Anfangs ging das nur mit Stillhütchen, sie schrie oft an der Brust, weil die Milch nicht so schnell kam wie aus der Flasche. Aber unter Anleitung meiner Hebamme übten wir langsam das Stillen ohne Hütchen. Wenn der erste Hunger mit der Flasche gestillt war, legte ich sie an – Schritt für Schritt.
Der Erfolg des Stillens
Heute, sechs Monate später, stille ich beide. Ich habe ein tolles Zwillingsstillkissen und bin unendlich froh, dass ich durchgehalten habe. Auch wenn ich noch immer etwa alle zwei Wochen mit einer Brustentzündung zu kämpfen habe – sogar einmal wieder in der Uniklinik war – weiß ich inzwischen genau, was zu tun ist. Und: Dort waren die Schwestern diesmal liebevoll, verständnisvoll, haben mich mit meinen Kindern zusammen gelassen. Das hat mein Trauma von der Klinik ein kleines Stück weit geheilt.
Mein Fazit
Stillen von Zwillingen ist herausfordernd. Es ist emotional. Es ist körperlich fordernd. Und es ist ein Weg, den man sich immer wieder erkämpfen muss – aber er lohnt sich. Ich bin dankbar, dass ich diesen Weg gehen darf. Für mich, für meine Kinder – und für unsere Beziehung.
Liebe Paula, unglaublich mit welcher Willensstärke du euren Weg gegangen bist. Es ist immer wieder traurig zu hören, wie sehr uns die Meinungen von außen, teilweise sogar von Fachpersonal, beeinflussen und verunsichern können. Daher möchten wir allen Lesern und Leserinnen gerne mit auf den Weg geben, dass sie sich jederzeit eine Zweitmeinung holen können und Menschen um sich scharren sollten, die ihre Wünsche berücksichtigt und in ihrem Interesse berät. Pauschale Aussagen wie: „richtige Flaschenkinder, echte Brustkinder, Vollstillen von Zwillingen geht nicht“, sollten vermieden werden. Dieser Beitrag zeigt, was möglich ist, wenn der Wunsch, Wille und gute Unterstützung vorhanden sind.
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Pauschal-Tipp“ für stillende Zwillingsmütter
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